Stellungnahme „Rückreise-Tourismus“

24.07.2023

Warum Geflüchtete in ihre Heimat reisen
Eine Stellungnahme zum „Rückreise-Tourismus

Mitarbeitende des AGDW e.V.

„Dieser Rückreise-Tourismus muss unterbunden werden.“ Immer wieder fällt dieser Satz in Telefonaten mit Mitarbeitenden des Jobcenters oder des Sozialamts. Währenddessen steht neben den Sozialberatenden am anderen Ende der Leitung eine Frau, die ihren Mann seit über einem Jahr nicht gesehen hat, da er nicht ausreisen durfte, ein älterer Mann, der große Sehnsucht nach seinem Zuhause und seiner Heimat hat oder eine Mutter, die ihren Sohn noch einmal sehen möchte bevor er an die Kriegsfront geschickt wird.

21 (bzw. 28) Tage Urlaubsanspruch haben Personen im Bürgergeld- (bzw. Sozialhilfe-) Leistungsbezug. Zur Bewilligung des Urlaubs muss ein Antrag auf Ortsabwesenheit/ Nichterreichbarkeit gestellt werden. Und im Prozess der Antragstellung taucht er immer wieder auf, dieser Begriff: „Rückreise-Tourismus“. Ein furchtbar unpassender Begriff. Er lässt Bilder im Kopf entstehen: Geflüchtete, die mit Cocktail am Strand liegen und sich ins Fäustchen lachen, weil sie die Sozialleistungen der Bundesrepublik Deutschland beziehen, während sie es sich in ihrem Heimatland gut gehen lassen.

Die Realität ist eine ganz andere. Nicht nur die Sehnsucht nach der eigenen Heimat, nach Freund*innen und Verwandten ist ein Grund für eine Reise in das Herkunftsland. Auch die Notwendigkeit Dokumente wie Geburtsurkunden, Scheidungspapiere etc. zu beschaffen, ist für einige Menschen der Anlass, zurück in das Land, aus dem sie geflohen sind, zu gehen. Der Wunsch, den Anforderungen der deutschen Bürokratie gerecht zu werden, lässt sie dieses Risiko auf sich nehmen. 

Wieso fällt es manchmal so schwer, sich in andere Menschen hineinzuversetzen? Und die Sehnsucht nach der eigenen Heimat und gleichzeitig einem Leben in Sicherheit nachzuempfinden? Würden diese Menschen, die den „Rückreise-Tourismus“ unterbinden möchten, nicht genauso empfinden, wenn sie gezwungen wären zu fliehen und ihre Angehörigen noch im Kriegsgebiet sind?

Wir bitten Sie, den Begriff „Rückreise-Tourismus“ nicht mehr zu verwenden.  Nicht im dienstlichen Sprachgebrauch und bitte auch nicht im privaten Umfeld. Das Konstrukt hinter diesem Begriff ist geeignet, Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, zu diffamieren und rückt ihre Lebenswirklichkeit in ein falsches Licht.